Gemeinde Kosel

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Auf einem Flohmarkt, zwischen Porzellantassen, altem Schmuck und Mund geblasenen Gläsern, findet man ein Päckchen Briefe.

Zusammengebunden haben sie die vergangenen achtzig Jahre überdauert, aufgehoben von jemandem, dem sie etwas bedeuteten.

Solche Briefe können spannende Lebens- oder Liebesgeschichten verbergen. Sie könnten auch historische Ereignisse behandeln und interessante Einblicke in vergangene Zeiten bieten. Sie machen neugierig wie Schatzkarten und jagen den Puls hoch wie das Piepen des Metalldetektors. Nur sind sie leider oft in Sütterlin geschrieben, der schönen alten Deutschen Kurrentschrift, die immer weniger Menschen lesen können.

Um hier Abhilfe zu schaffen, kam Bernd Jacobsen auf Einladung der Laurentia-Bücherstube in die Alte Schule in Kosel und führte fast zwanzig Neugierige in die Geheimnisse dieser hundert Jahre alten Schrift ein. Mitgebracht hatte der ehemalige Riesebyer Schulleiter Informationen zur Entstehungsgeschichte der Schreibschrift, von der Karolingischen Minuskel des 8. und 9. Jahrhunderts bis zur Schreibschrift des 19. Jahrhunderts, die mit der Einführung der Stahlfeder gebräuchlich wurde. Außerdem präsentierte er eine Menge Originaltexte aus Chroniken, dazu Kopien zum ßbersetzen und ein Alphabet für jeden.

Dierk Kruse aus Frenrade hatte eine lederne Mappe mit alten Dokumenten dabei, von denen die ältesten von 1829 datierten. "Sie enthält Land- und ßbergabeverträge, Pachtverträge und Tauschverträge meiner Vorfahren." Er wollte Bernd Jacobsen bitten, zusammen mit ihm einen Blick auf diese Unterlagen zu werfen, da sämtliche Verwandte, die sie noch hätten lesen können, inzwischen verstorben sind. Nun war aber erst einmal Hilfe zur Selbsthilfe gefragt, und mit den Grundlagen des Alphabets stiegen dann auch gleich die Anforderungen.

Alte Einträge in Poesiealben, in Schönschrift geschrieben, aber von der persönlichen Handschrift geprägt, waren nicht immer leicht zu entziffern. Die alten Sprüche ließen sich nicht einfach nur erraten, man musste schon richtig systematisch lesen. Kleine Rechtschreibfehler als Extrabonus für Tüftler gab es kostenlos dazu. Dennoch - die Besucher konnten sich die Texte Stück für Stück erschließen, einige wenige hatten es noch in der Schule gelernt, anderen erschien es wie die erste Begegnung mit griechischen oder kyrillischen Buchstaben, aber sie knackten sie doch, die unterschiedlichen Nüsse.

"Zusammen vorlesen, nicht durcheinander!"- es machte allen sichtlich Spaß, Stillarbeit war an dem Abend ein Fremdwort. Die Zeit verging wie im Fluge: Mit einem an die Tafel geschriebenen "Genug!" in Sütterlin schloss Jacobsen die Veranstaltung ab und machte mit Dierk Kruse noch einen Extratermin für das Studium seiner Unterlagen. Wenn da nicht noch mancher Schatz gehoben wird - oder sich überraschende, ganz neue Besitzverhältnisse ergeben. .
 

Wolfgang Dreesen
Letzte Aktualisierung: 27.06.2011

Quellenangabe und Copyright:
31.01.2011 | Carola Flügel | Eckernförder Zeitung, shz.de