Gemeinde Kosel

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Missunde

Missunde

Historische Wanderung

Auszüge aus: Historische Wanderung Teil I (Kosel, Weseby, Missunde und Ornum), erarbeitet von Heinz Zimmermann-Stock und Heinz Bannick, Fotos von Uwe Schamp, Eigendruck 2006. Die Broschüren Teil I und II sind im Landgasthaus „Koseler Hof“ erhältlich.

Auszüge aus: „Chronik des alten Gutsbezirks Ornum-Missunde“ von Nico Nissen. Erhältlich ist diese verdienstvolle Chronik in Missunde im Kiosk des Campingplatztes Wees.

Dorf Missunde und seine Fähr-Geschichte

Nun machen wir uns rechter Hand auf und gehen auf der Straße ,,Zur Fähre" durch das Dorf Missunde. Wir achten auf die lnschrift lM mit den Kanonenkugeln an den Häuserwänden. An der großen Dorfeiche wenden wir uns nach rechts (An de Wees) und gehen bis zum Einkaufsshop des ,.Campingplatzes Wees".

Hier kann man sich mit Getränken bei guter Sitzgelegenheit etwas erfrischen und sich vielleicht auch mit Wegzehrung versehen. Dabei könnte es zu einem Gespräch mit Nico Nissen, dem Besitzer des Anwesens kommen. Er hat 2004 eine Chronik über Missunde herausgebracht. Erzähle uns etwas von unserer Dorfgeschichte, fragte der Sohn im fernen Florida seinen Vater Nico Nissen. Diese Frage saß wie ein Stachel und ließ den Vater nicht ruhen, bis er in einer ernormen Fleißarbeit eine Chronik des alten Gutsbezirks Ornum-Missunde zusammengestellt hatte.

Der Name Missunde ist als „Versund (Fahr-Sund)" von alters her bekannt, später heißt es Mjösunde (schmaler Sund) oder Mosunde". Zum ersten Mal ist Missunde wohl erwähnt im Jahre 1115 und zwar „im Zusammenhang mit dem Bau von Befestigungsanlagen durch Knut Laward als Schutz gegen die Wenden“. Zu dieser Zeit gab es noch in der Nähe von Missunde das Dorf Kyle auf der heutigen Halbinsel Kielfoot. Spuren von Burganlagen auf beiden Seiten der Schlei weisen darauf hin, wie intensiv man sich gegen die Wenden wohl schützen musste. Die Quellen darüber sind spärlich. Während das Dorf Kyle mit der Zeit verschwand, wuchs Missunde auf. 1463 gab es in Missunde 13 Landstellen, vermerkt der Chronist Nico Nissen, nach und nach wurde das Dorf vom Adel aufgekauft und fiel an die Besitzer von Gut Ornum.

Die Chronik erfasst im Wesentlichen auch die Sozialgeschichte der ,,kleinen Leute“, die auf den Höfen lebten, die Kätner oder lnsten und Tagelöhner. Sie waren in besonderer Weise davon abhängig, dass zum Beispiel die Pächter sie nach Eckemförde zum Arzt oder zur Hebamme brachten und zahlten für eine Tour 1,50 RM. Zur Unterhaltung der Armen musste ein Pächter der Armenkommmune Zahlungen leisten. Backhaus und Waschplatz waren die Kommunikationszentren des Dorfes, wo man sich traf und Neuigkeiten erfuhr. Auch die Zeit des Nationalsozialismus wird nicht ausgelassen. Meinungsverschiedenheiten wurden zum Teil auf der Straße handfest ausgetragen. Der Umgang mit polnischen Kriegsgefangenen war nicht immer vorbildlich. Über dem Brodersbyer Noor wurde eine britische Lancester abgeschossen. Viele ins Dorf verlegte Soldaten waren mal gerade 16 Jahre alt und stets ausgehungert. Schließlich kamen die Flüchtlinge, dann die Engländer als Besatzung. Im Anhang der Nissenschen Chronik befindet sich eine vom selben Autor verfasste Festschrift der Missunder Gilde.

Am Rande bemerkt sei: Obwohl in Missunde viele Kämpfe in vergangenen Zeiten stattgefunden haben, konnten die Bewohner dieses Ortes sehr alt werden. Die älteste Person von Missunde wurde 110 Jahre alt und verstarb 1823.

Wer heute durch Missunde geht, sollte sich Nissens Chronik als ein unbedingtes Muss zur Hand nehmen. Bilder und Skizzen dieser Broschüre machen den Dorfrundgang zu einem Erlebnis. In der Chronik lässt Nissen Aufzeichnungen von Augenzeugen zu Wort kommen, die auch das Gefecht 1864 eindrucksvoll beschreiben.

Wie unbeschwert damals einige Missunder mit dem Kampfgetöse umgingen, erzählte ein Konfirmand zur damaligen Zeit: Der Lehrer sagte uns, als wir das erste Kampfgetöse hörten, „Wir wollen die Schule schließen und nach Buberg gehen und uns die Schlacht ansehen". Ein anderer wusste zu berichten: Wir sahen die Kugeln anfliegen und riefen uns zu „Duck dich weg, da kommt eine“. Später waren von den 21 Häusern 13 abgebrannt.

Wir gehen zurück zur Dorfstraße „Zur Fähre“. Am Ende dieser Straße liegt die Schulstraße mit dem alten Schulgebäude aus dem Jahre 1811. In Ornum-Missunde waren die Schulverhältnisse nicht wesentlich besser als in Kose!. „ Wir lesen 1795 in einem Bericht: Es ist kein Schulhaus da. Der Schulmeister wohnt in einer elenden Kathe und muss die Schule in demselben Zimmer halten, wo die Frau mit ihren Kindern du mit der Wiege sitzt.“  

Wir gehen an der Schulstraße vorbei und wenden uns nach links zur Fähre. Vielleicht setzen Sie sich in das Hotel-Restaurant-Cafe „Hotel Missunde" und studieren ausgiebig das Treiben auf der Schleienge. Ja, wenn es gerade Mittagszeit ist, können Sie hier lukullisch essen.

Der Blick auf die engste Stelle der Schlei nimmt die vorbeigleitenden Segelschiffe
aus nächster Nähe wahr. Schauen Sie einmal links und rechts den Verlauf der Schlei an. Sie sieht aus wie ein Fluss und es will gar nicht einleuchten, dass sie, wie alle Förden an der Ostseeküste, ein Schmelzwasserabfluss der letzten Eiszeit (vor 15- 10.000 v.Chr.) sein soll. Dennoch ist es so: einzelne Eiszungen von Schleigletschern haben sich den Weg zum Meer gesucht, aber die hügelige Endmoränenlandschaft hat keinen gradlinienförmigen Zugang, wie bei den anderen Förden, zum Meer zugelassen. Manche Gletscherzungen bildeten kleine Gletscherzungenbecken nachdem der Wasserspiegel sich senkte, das wurden die sogenannten Noore, wenn sie noch durch einen Schilfgürtel mit dem „Meer“ verbunden geblieben sind. Wir werden später beim Ornumer Noor noch einmal auf diese Gletscherzungenbecken hinweisen.

Wie wir nun schon ausgiebig wissen, war diese Enge bei Missunde für Kriegsherren aller Zeiten von äußerster strategischer Wichtigkeit. Drüben am anderen Ufer der Schlei hat wohl in grauer Vorzeit eine Burg gestanden. Der Flurname Wüstenberg auf der anderen Seite in der dortigen Gemeinde Brodersby weist auf die alte Burg heute noch hin. Rechts neben der heutigen Fähre liegt das alte Fährhaus.

Die Schlei nun fest im Blick, vielleicht sogar mit einem Blick auf den Horizont in Richtung zur Dornstadt Schleswig, lassen Sie nun Theodor Fontane erzählen. In seinem Werk „Der Schleswig-Holsteinische Krieg im Jahre 1864“ schreibt er: „Dorf Missunde ist ein altes Fischerdorf an der Südseite der Schlei, malerisch gelegen aber ärmlich; zwanzig Häuser bilden eine einzige Gasse, die sich gegen die Schlei hin in einzelne Gehöfte auflöst; eine Kirche fehlt; am Nordufer liegt das Fährhaus.

Ein Fischerdorf und doch viel genannt in der Geschichte der Herzogtümer, von alten Zeiten her. Hier kam das Drama zwischen den „feindlichen Brüdern“  zwischen König Erich ( Anm.: Erich Plogpenning) und Herzog Abel (oft erzählt in der Geschichte des Nordlands) zu einem blutigen Ende. Es \war in der Nacht des 9. August 1250, als ein Fischerboot, drin der gefangene König Erich saß, die Schlei hinab gen Missunde fuhr. Das Boot kam von Schloss Gottorp. Abel, Herzog von Schleswig, hatte doppelten Verrat auf sich geladen; der König war sein Bruder und sein Gast. Er hatte ihn gefangen nehmen lassen , als er beim Schachspiel saß. Nun glitt das Boot die Schlei hinunter. Neben dem Könige saßen Tuko Boost, der Kämmerer Herzogs Abels und Lauge Gudmunsen, der wegen alten Unrechts aus Dänemark hatte fliehen müssen und seitdem des Königs geschworener Feind war. Keiner sprach; König Erich starrte vor sich hin, er mochte wissen was seiner harrte. Als sie an die „große Breite“ kamen, wo jetzt Louisenlund gelegen ist, bat er, man möge ihm einen Priester zuführen, damit er seine Sünden berichten könne. Aber Lauge Gudmunsen ergriff ihn bei den Haaren und zwang ihn, den Hals über den Bord des Kahns zu legen, worauf Tuko Boost ihm mit einem Beile den Kopf von den Schultern trennte. Den Leichnam beschwerte man darauf mit Steinen und Ketten und versenkte ihn bei Missunde in die Schlei.


Sechshundert Jahre vergingen seitdem und viel Blut ist seit jenem 9. August bei Missunde geflossen, aber alles andere Blut ist vergessen neben dem Bruderblut jenes Tages. An Herzog Abels finstere Gestalt knüpfen sich Sagen und Märchen, so finstrer wie er selbst. Sie erzählen von einem Pfahl, der in sein Grab geschlagen wurde, um den Toten drin zu bannen; bis dahin ging er um. Er ist der „wilde Jäger" dieser Gegenden: noch andere sagen, er sei in die Möwen verzaubert, die auf der Möweninsel zwischen Schleswig und
Haddeby ihre tausend Nester haben. Bei Missunde aber ist das Terrain König Erichs. Dort stand bis vor wenigen Jahren die Fischerhütte, drin die Schleifischer, als sie den König gefunden, seine Leicher zuerst niederlegten, und mancher, der um die Zeit des Sonnenuntergangs über die große Breite hinfährt, glaubt bis diesen Tag den König Erich in rotem Mantel treiben zu sehn, die linke Hand gen Himmel erhoben. (Anm.: König Erich wurde im Dom zu Schleswig begraben. 1258 überführte der Königshof ihn nach Ringstedt/Dänemark. Das Schloss und die Kette, mit der der Leichnam bei Missunde beschwert wurde, sind im Dom zu Schleswig in einer Vitrine ausgestellt. Ebenso existiert noch in Foto seiner Mütze.

Anfang des 15.Jh. soll die
Dänenkönigin Margaretha
(de swarte Gret), die auch
die Elbe mit Pfählen und
einer Kette gesperrt hatte,
auch diese Schleienge
versperrt haben. Sie
fürchtete sich von den
Holstenherren, denen sie mit
List Dörfer, Schlösser und Güter im Landstrich Schwansen abgenommen hatte. Der Krieg begann
1410. Das Ende hat sie nicht mehr erlebt. Ihr
Schwestersohn und
Nachfolger Erich von Pommern (1412-1439) „setzte den Kampf fort, bis sein Thron ins Stürzen geriet". Er sicherte 1415 die Schlei durch einige feste Punkte, baute am Lindauer Noor die Burg Lindau und bei Bohnert an der Schlei die Königsburg. Ein starker Angriff der Holsten mit 600 Gewappneten und 20.000 Mann Fußvolk gegen die Königsburg wurde von den Dänen 1417 abgewehrt. Mit Hilfe der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg, dem Grafen von Hoya, der Stadt Hamburg und der Vitalienbrüder kam es erst 1435 zum Frieden bei dem die Schleisperren geräumt wurden und Schleswig den Holsteinischen Schauenburgern erhalten blieb.

Während des Dreißigjährigen Krieges setzte im Jahre 1627 "viel fremdes Fußvolk" über die Schlei, als Wallenstein bis vor Schloss Gottorp gelangte. Dabei erging es, wie gesagt, den Einwohnern von Koset schlecht, als 1628 „die Wallensteinischen Vorhuten unter dem Grafen Schlick durch Kosel zogen und es brandschatzten. Weseby wurde fast gänzlich eingeäschert; die Fähre von Missunde wurde versenkt; mehrere: Hufenhäuser und die Domkapitelsmühle in Kose! wurden verbrannt und zerstört. Und 1644 brachten die Schweden an die Schlei unter Wrangel und Torstenson Drangsal und Plünderung". (Die Schilderungen über die Schleienge Missunde sind im Wesentlichen der Zusammenstellung im Internet von Hartmut Hölting www.hhm.de entnommen-)

Nach dem Westfälischen Frieden von 1648 glaubte die Bevölkerung, für lange Zeit endlich Ruhe zu finden. Aber schon 9 Jahre später begann ein neues Morden und Brennen. Mit 9.000 Reitern und etwa 4.000 Mann Fußvolk zog der Schwedenkönig Karl X. Gustav nach der gewonnenen Schlacht bei Warschau im Jahre 1657 gegen den König von Dänemark. Das Missunder Fährhaus ist damals „durch vorgewesenen Krieg" mit den dazugehörigen Gebäuden ruiniert und verdorben worden. Ähnliche Unruhen brachte der "Nordische Krieg“ ( 1 7 0 0 - 17 2 0 ) a l s  ü b e r  „400 W a g e n  i t e m  Artillerie“ hier über due Schlei gingen. Mit den Kämpfen gegen die Dänen im 19. Jh. sind Sie bereits beim Hünengrab vertraut gemacht worden. Die Niederlage der Dänen bei den Düppeler Schanzen 1864 beendete den jahrhundertelangen Streit der Schleswig·Holsteiner um ihre Zusammengehörigkeit im Sinne des Ripener Vertrages von 1460.