
Musikalische Dampflok rauschte durch den alten Krug
Von Christel Fries - Aktualisiert am 02.07.2012
Gerade mal zwei Monate ist es her, da organisierte Frank Spack, Wirt des Koseler Hofes, das erste Konzert in seinem Gasthof.
Mit "Glenfiddle" füllte er den Saal, begeisterte die Gäste und träumte gleich vom nächsten Mal. Und das war jetzt. Als Gäste konnte er mit Georg Schroeter und Marc Breitfelder die amtierenden Blues-Weltmeister begrüßen. Schroeter am Flügel und Breitfelder an der Mundharmonika hatten Tim Engel an den Drums mitgebracht und gestalteten den Gästen einen denkwürdigen, Puls rauschenden Abend, über den selbst Georg Schroeter später grinsend sagen sollte: "So gut wie heute waren wir noch nie."
Das gleiche kann das Publikum von sich behaupten: Die Menschen gingen von der ersten Sekunde an mit, ließen sich vom Schlagzeug treiben, vom Piano einfangen, von der Blues Harp aufwühlen, von der Virtuosität der drei Musiker tief beeindrucken. Ob "Little piece of paper", "Long as I can see the light" oder "Hoochie Coochie Man" - das ging in Mark und Bein. Spontaner Applaus wechselte mit Staunen, Soli von Marc Breitfelder rissen zu fassungslosen Ausrufen hin, Soli seiner Kollegen zu lang anhaltendem Beifall: "Nicht zu glauben!", war da aus der Mitte des Saals zu hören. Was Breitfelder mit seinen Mundharmonikas macht, sucht seinesgleichen. Da zirpte es mal zart, kam mal dunkel und satt aus der Blues Harp Kehle, deren Töne durch zwei sensible Hände hervorgelockt, ausgeformt und verweht wurden. Immer wieder wechselte er das Instrument - im Koffer müssen 30 bis 40 dieser genau nach seinen Vorstellungen modifizierten Instrumente gewesen sein. Das Solo-Stück "Station to Station" ist Herz und Mitte der Harp-Virtuosität und eines jeden Auftritts - fehlt es, geht man hungrig nach Hause.
Eine akustische Reise um die Welt, der jeder folgen kann: Der Lokführer schaufelt unermüdlich Kohlen, der Schweiß fließt, die Temperatur steigt. Ganz langsam nimmt das Dampfross Fahrt auf, findet seinen Rhythmus, verlässt die Stadt, verschwindet am Horizont. Es nimmt die Zuhörer mit in ferne Städte, streift orientalische Orte und stoppt bei fremden Völkern, fährt weiter und kommt irgendwann mit keckem Blinzeln wieder an.
Kai Greiser aus Kosel, der die Musiker mit seiner Frau zum zweiten Mal sah, war sichtlich berührt. "War das toll. Er schafft es, eine alte Lokomotive zum Fliegen zu bringen - als hätte sie Flügel." Und setzte staunend hinzu: "Die Blues Harp klingt zwischendurch wie eine gedämpfte Trompete." Oder wie ein Akkordeon oder eine Klarinette, dann wieder wie ein Instrument, das es noch gar nicht gibt, aber immer fulminant, furios, virtuos. Georg Schroeter, dessen Stimme, unverkennbar, wunderbar belegt vom gemeinsamen Auftritt am Vortag, nahm die Menge weiter mit durch den Abend, brillierte mit seinem Klavierspiel, diskutierte musikalisch mit der Mundharmonika in "Talk to me, baby", drehte auf und drehte durch wie eine defekte Jukebox, wurde schneller und schneller und folgte dann wieder den Schienen, die Tim Engel, das Bordesholmer Präzisionsuhrwerk, an den Drums legte. Dessen atemberaubendes Solo wurde vom Publikum unterstützt, befeuert und bestaunt. Nach einer gefühlten Ewigkeit rief er seine entschwundenen Kollegen mit Nachdruck zurück an die Arbeit: "Marc und Georg!"
Die Intensität des Abends stand dem Publikum ins Gesicht geschrieben. "Soll ich mal sagen, warum ich die so gerne höre?", fragte Kai Greiser. "Ich liebe das innige, körperliche Mundharmonikaspiel von Marc Breitfelder. Das ist überirdisch. Wie er selber zum Instrument wird, mit der Harp zusammenfließt, mit ihr verschmilzt. Innig ist das Schlüsselwort." Schroeters Frage an den Saal: "Dürfen wir nächstes Jahr wiederkommen?" wurde denn auch mit einem vielstimmigen und klaren "Ja! Dürft ihr!" beantwortet.

Letzte Aktualisierung: 02.07.2012
Quellenangabe und Copyright:
22.03.2012| Christel Fries| Eckernförder Zeitung, shz.de
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