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Neun Syrer sind die ersten Bewohner im Gallbergring / Willkommenskreis nimmt Arbeit auf / Jeden Freitag Willkommenscafé in der Alten Schule

kosel

Eine geräumige Küche mit einem großen Tisch, der Platz für mindestens zehn Personen bietet. Zusammengewürfelte Stühle und Sitzgelegenheiten, an der Wand eine Küchenzeile mit Schränken, Herd und Kühlschrank. Was auf den ersten Blick wie eine Studenten-Wohngemeinschaft aussieht, ist in Wirklichkeit die Küche in der Flüchtlingsunterkunft in Kosel. Statt eines Putzplans auf Deutsch hängt eine Tabelle in arabischer Sprache an der Wand, die die Pflichten der Bewohner regelt. Seit einigen Tagen ist das Einzelhaus im Gallbergring das neue Zuhause für neun Flüchtlinge. Alle stammen aus Syrien und sind im Alter zwischen 20 und 36 Jahre.

Zwei der Bewohner der ersten Stunde sind Husam und Bassam. Husam ist Pharmaziestudent und stammt aus Damaskus. Er habe die Flüchtlingsroute über den Libanon, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Ungarn und Österreich gewählt, erzählt der 25-Jährige in Englisch, der in Deutschland gern sein Pharmaziestudium beenden möchte. Bassam hat in Syrien Jura studiert , als Richter gearbeitet, ist aus dem Staatsdienst ausgeschieden und war anschließend im Sicherheitsdienst eines internationalen Hotels tätig. Auf seiner Flucht hat der 35-Jährige drei Versuche gestartet, um von der Türkei über die Ägäis auf die griechische Insel Kos zu gelangen. Zweimal ist das Boot gekentert, zweimal hat der katholische Christ einer Rettungsweste sein Leben zu verdanken. Beim dritten Versuch wurde Bassam von einem griechischen Patrouilleboot gefunden. Er habe Verwandte in Ulm und München, könne sich aber vorstellen, in Eckernförde oder Umgebung zu bleiben, wenn er Arbeit finde, berichtet er. Die Menschen würden ihm offen begegnen, erzählt Bassam in flüssigem Englisch. Alle Bewohner nicken zustimmend, als er sagt: „Koseler people are very nice – it’s true“.

Erst vor kurzer Zeit gegründet, engagieren sich bereits 48 Bürger im Koseler Willkommenskreis, so auch Sigrid Buck und Heidi Stilke. Buck begründet ihr Engagement mit den positiven Erfahrungen ihrer Eltern, die nach dem Zweiten Weltkrieg selbst als Flüchtlinge in Deutschland viel Unterstützung erfahren hätten, so Buck. Die ehemalige Leiterin der Eckernförder Tafel „möchte das in einer Form wieder zurückgeben.“ Für Heidi Stilke ist es gelebte Gastfreundschaft. „Die jungen Menschen suchen eine neue Heimat. Ich möchte ihnen helfen, sich einzugliedern“, beschreibt die ehemalige Schwesternhelferin ihr Engagement. Dabei geht die 65-Jährige ganz praktisch zur Sache. Vor wenigen Tagen sei sie mit einem großen Kochtopf ins Haus gekommen und habe für alle Huhn mit Reis halal gekocht, erzählt die Koselerin. Ein anderes Mal hat sie gemeinsam mit ihrem Mann die Bewohner besucht. Hussein spielte auf seinem kurdischem Saiteninstrument Lieder der Heimat. Sie habe gemerkt, wie gut das bei den Bewohnern angekommen sei, so Heidi Stilke. „Aus diesem Grund suchen wir noch gebrauchte Gitarren, um gemeinsam zu musizieren“, sagt sie.

Die Koordinatoren des Willkomenskreises, Marx Harder, Wolfgang Kastens und Bernd Jacobsen, sind dankbar für ein derartiges Engagement. Der Willkommenskreis befinde noch noch im Aufbau, erklärt Harder. Eine Überlegung sei die Einführung eines Integrationslotsens, der sich für die Unterstützung eines Flüchtlings verantwortlich fühlt. „Im Vergleich zur Stadt haben wir auf dem Dorf einen entscheidenden Vorteil: Wir kennen und begegnen uns“, sagt der 64-Jährige.

Eingerichtet wurden bisher eine Liste für Fahrbereitschaften zum Arzt und zu Behörden – sollte der Weg für das Fahrrad zu lang sein. Insgesamt stehen zurzeit acht Fahrräder zur Verfügung. Mit diesen fahren die Flüchtlinge zweimal in der Woche zum Deutschunterricht nach Fleckeby, den die Volkshochschule anbietet. Allen Beteiligten ist klar, dass man es bei dem reinen Unterricht nicht belassen darf, wenn man die Syrer bei dem Erlernen der deutschen Sprache unterstützen will. „Die Begegnung zwischen den Menschen ist wichtig“, sind sich Harder, Kastens und Jacobsen einig. Das Willkommenscafé bietet dafür Raum und Gelegenheit. Jeden Freitag sind Flüchtlinge und Koseler eingeladen, sich in der Alten Schule zwanglos zu treffen und in lockerer Atmosphäre kennenzulernen. Das Café öffnet um 15 Uhr seine Türen.

Bürgermeister Hartmut Keinberger sitzt ebenfalls in der Küche des Einfamilienhauses, das mit fünf Zimmern insgesamt Platz für elf Personen bietet. Als Gemeinde könne man dem Willkommenkreis gar nicht genug für seine ehrenamtliche Arbeit danken, so Keinberger. Dass die Arbeit auch unter den Willkommenskreisen in Schwansen gut funktioniert, zeigt die Tatsache, dass Karrar Abdu Luohsin für den Gesprächstermin eigens nach Kosel gekommen ist. Der Iraker lebt seit einem Jahr in Vogelsang-Grünholz und spricht mittlerweile so gut Deutsch, dass er als Dolmetscher aushilft.

Susanne Karkossa-Schwarz
Wolfgang Dreesen
Letzte Aktualisierung: 11.10.2015

Quellenangabe und Copyright:
10.10.2015| Susanne Karkossa-Schwarz| Eckernförder Zeitung, shz.de