KONSTRUKTIVISMUS UND SURREALISMUS
Von karkossa-schwarz - Aktualisiert am 08.09.2015
Wirklichkeit der Dinge neu komponiert: Günther Möhrmann stellt Werke in der Alten Schule aus. Die öffentliche Vernissage findet am Freitag statt, die Ausstellung ist bis Mitte Dezember zu sehen.
Als Günther Möhrmann ein junger Mann war, begegnete er auf seinen Reisen einem Schäfer und Fischer an der irischen Küste. Nicht nur die Landschaft, auch das Wesen und die Gestalt des Iren faszinierten den studierten Designer. Gesicht und Hände des Schäfers waren gezeichnet von Wind und Wetter – und von einem langen Leben voller Geschichten an dieser rauen Küste, wo die Gezeiten über Tod und Leben bestimmen können. Diese Eindrücke inspirierten den damals 28-Jährigen zu seiner ersten fotorealistischen kritischen Bleistiftzeichnung mit dem Titel „Narben einer Landschaft“. Das war im Jahre 1976. Mittlerweile steckt Günther Möhrmann selbst voller Geschichten, Erlebnisse und Botschaften, die er künstlerisch darstellt. Der 67-Jährige hat ein thematisches Leitbild, dem er seine Werke unterordnet: „Ich möchte Begreifliches und Unbegreifliches als Bildkomposition kombiniert zeigen.“ Sein Werk ist angesiedelt im Konstruktivismus und Surrealismus. Diese Kunstrichtungen erlauben ihm, den Betrachter durch reduzierte Darstellungen und oftmals synthetische Grundformen zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Bild und dessen Thema geradezu aufzufordern.
Unter dem Titel „Küstenszenen“ zeigt Günther Möhrmann, der seit zwei Jahren in Schleswig wohnt, in der Alten Schule 26 Exponate seines langjährigen künstlerischen Schaffens. Da sieht der Betrachter einen Hummer vor der Silhouette der Schleistadt – „Lobster, das ist mein Gartenzwerg“, beschreibt Möhrmann seine Beziehung zu dem Krustenschalentier. Oder einen roten Sonnenball, der an einem seidenen Faden hängt, damit er nicht untergeht. Ein Leuchtturm im Wasser, dessen oberster Teil ersetzt wird durch den Aufsatz einer Spraydose – ansonsten heilbringender Wegweiser für Schiffe – mutiert zum Umweltkiller – durch das Sprayen schädigt er nachhaltig die die Erde schützende Ozonschicht. Die Farbstiftzeichnung mit Kreide wirkt zunächst unaufdringlich und und löst doch einen nachhaltigen Effekt beim Betrachter aus.
Das Thema Natur, insbesondere Wasser, genießt bei Möhrmann einen großen Stellwert. Dabei ist dem gebürtigen Soltauer die Affinität zum Meer nicht in die Wiege gelegt, wohl aber die künstlerische Veranlagung. Die Heide ist das Zuhause des kleinen Günther. Der Vater ist Maler und Anstreicher, dabei aber äußerst kreativ. Den Entschluss zu zeichnen, hatte Möhrmann als Siebenjähriger. Auf dem Rückweg von der ostfriesischen Insel Juist ins heimische Soltau machte er Zwischenstation in Bremen. Dort sah er die Bremer Stadtmusikanten. Die Plastik beeindruckte den Schüler nachhaltig, dass er sie zuhause zeichnete. „Ab da zeichne ich“, erinnert sich Möhrmann, dessen Arbeiten und Aufgaben sowohl als Künstler als auch als Designer äußerst breit gefächert sind. Nach der Schule studierte er an der Kunsthochschule und an der Universität in Hannover Angewandte Malerei, Kinetik, Farbpsychologie, Zeichnen, Materialprüfkunde, Kunstgeschichte, Innenarchitektur sowie Geometrie und Konstruktion. Seine äußerte vielfältige Arbeit als Designer führte ihn in der Welt herum. Für den König Scheich Abdul Nasha gestaltete er Teilbereiche in dessen Palast – ein Auftrag, der mehrere Aufenthalte in Saudi-Arabien nach sich zog. In Rostock entwarf er das Design für eine Apotheke, deren Decke er in einen Sternenhimmel umwandelte, dessen Gestirne und Sternenzeichen rotierten. Für eine gynäkologische Praxis in Wolfsburg plante er eine ausgefallene und doch einfache, weil klare Farbgebung, die auch den Boden und den Behandlungsstuhl einbezog – eine Mischung, die bei den Patientinnen sehr gut ankam – die Praxis florierte. Wandbilder, Skulpturen gehören ebenso zu seinem Tätigkeitsbereich wie die Planung und Gestaltung von Sanatorien und Hotels. Vieler seiner Arbeiten wurden prämiert.
40 Jahre war Hannover sein Lebensmittelpunkt. Dort hatte Möhrmann sein eigenes Planungsbüro mit zehn Mitarbeitern. Er war in ganz Deutschland und Europa unterwegs – ein umtriebiger Mensch. Und jetzt also die Schlei. Ein ganz bestimmtes Erlebnis habe ihn zu dem Umzug in den Norden bewogen, verrät der Künstler.
Die starke Beziehung zu Meer und Wasser werden im Laufe seines Lebens durch immer wieder kehrende Aufenthalte in Dänemark nachhaltig gefördert. Dabei gewinnen Umweltthemen, wie das Robbensterben oder die Überfischung, bei ihm immer an Bedeutung. Möhrmann möchte unangenehme Botschaften übermitteln – mit den Mittel des Surrealismus, der es ermöglicht, „unangenehme Botschaften verdeckt und umgebungsgerecht ästhetisch zu vermitteln“, so der Neu-Schleswiger. Und doch stellt er für sich den Anspruch, schöne Bilder zu zeichnen, die für das Büro oder fürs Zuhause geeignet sind.
Das Konzept des Bildes hat Möhrmann bereits fertig im Kopf, bevor er mit den Arbeiten beginnt. Recherchen im Internet sind nötig, um die Realität und ihre Verhältnisse aufzuspüren. „Dann verwende ich Kreide, Bleistift und Acryl, um möglichst der Wirklichkeit nahezukommen“, beschreibt er sein Instrumentarium. Das beinhaltet manchmal aber auch die Asche aus dem Aschenbecher oder Grafit eines angespitzten Bleistifts – Restbestände, die ansonsten in den Mülleimer wandern. So geschehen bei dem Bild „Eiserne Kugel“, das zum Schluss mit Schleifpapier behandelt wurde. Es gehört zu der Reihe Netzschwimmkugeln, in der er verschiedenen Modellen, so aus Japan, Deutschland, Kanada oder Norwegen, nachspürt. Versehen mit kleinen Texten laden sie den Betrachter ein, sich mit dem Wesen der Fischerei auseinanderzusetzen.
Trotz seiner vielfältigen künstlerischen preisgekrönten Tätigkeit als Designer, Planer, Innenarchitekt, Grafiker und Zeichner ist Möhrmann bodenständig geblieben. Er liebt Geschichten – zu jedem seiner Bild kennt er die Entstehung und die Umstände. Durch die vielen Reisen im In- und Ausland steckt er voller Anekdoten.
Die Ausstellung, für dessen Organisation das Laurentia-Team verantwortlich ist, wird am Freitag, 11. September, um 20 Uhr in Anwesenheit des Künstlers in der Alten Schule eröffnet.
Die Ausstellung ist zu Laurentia-Zeiten geöffnet (Do. und Fr. 15 bis 18 Uhr, Sa 10 bis 12 Uhr). Zu sehen bis Mitte Dezember.
Susanne Karkossa-Schwarz
Letzte Aktualisierung: 08.09.2015
Quellenangabe und Copyright:
08.09.2015| karkossa-schwarz| Eckernförder Zeitung, shz.de
Das sollten Sie auch gesehen haben